SKANDAL
Gestorben - eingesargt - Auferstanden

Bravo-Artikel 1993





"Wir haben euch was zu sagen, deshalb sind wir wieder da!" Diese Einstellung der Ärzte ist verantwortlich für das Mammutprogramm von Bela B., Farin Urlaub und Rod Gonzalez: Mega-Streß mit Videodreh in nur zwei Tagen. Zwei Wochen intensive Proben im Studio für die Tour, die am 29. Oktober beginnt. Weil sie der Welt zeigen wollen, daß sie vor niemandem Respekt haben, sitzen die Ärzte jetzt am
Arsch der Welt, in Kreuzbruch, 35 Kilometer von Berlin entfernt. Die Landschaft idt die geballte Idylle, Die Bäume fast zu grün, die Äpfel fast zu rot. Und die Sonne scheint natürlich auch noch. Doch aus der leerstehenden Kreuzbrucher Kirche dröhnt die Ärzte-single "Schrei nach Liebe".
Bela B. (28) und Farin Urlaub (wird am 27. Oktober 30) sind wütend. Vor lauter Ärger über die Fascho-Welle
in Deutschland haben sie sich in ihren Särgen umgedreht, um sich nun von ihren Ruhestätten zu erheben.

Vor dem mystischen Altar stehen zwei schwarzgekleidete russische Frauen mit E-Gitarren, ein verschmitztes Lächeln führt die Goldzähne von Antonia (53) aus Kasachstan zu Tage.

Die Särge stehen verlassen rum. Die Ärzte sind quicklebendig: Sie umkreisen drei Skins, ziehen sie am Ohr, tätscheln sie auf den Kopf, provozieren sie bis aufs Blut. "Nee, nochmal", unterbricht Regisseur Detlev Buck ("Wir können auch anders" hieß sein Kinohit). Visagistin Bettina pudert sogleich Bela auf der Nase herum. Farin und er sollen entgegengesetzt um die drei Faschos laufen damit die Kamera besser auf die Gesichter halten kann.
Draußen genießen inzwischen die zwei alten Frauen bei Käffchen und einem Mini-Snickers die Sonne. In russisch-deutschem Sprachmix amüsieren sie sich darüber, wie sie weinen mußten, als die Ärzte "gestorben" sind. Sie freuen sich, mal an die frische Luft zu kommen und einen Ausflug hierher zu machen, "wo alles so scheen grien ist!".

Olga (61) und Antonia wußten, daß sie Musik machen sollen - aber daß sie in einer Kirche eine Gitarre zerschlagen würden, "Nein, das haben wir uns nicht träumen lassen."

Derweil rauft sich Detlev Buck in der Kirche die Haare, Jaja, die Kinder, Jennifer und Eugenia versuchen Geige zu spielen, schauen sich aber während des Fidelns die Requisiten an, kichern oder spießen sich mit dem Bogen auf. Der sechste Schnitt - wieder nichts. Für die Mädels ist
es ein Heidenspaß und schließlich bricht das ganze Drehteam in Lachen aus.

Am Abend ist alles im Kasten, die Skins wurden angeschrien ("Arschloch!"), Antonia beherrscht die E-Gitarre im Schlaf, Olga klatscht im Takt, Bassist Rod schnippt mit den Fingern.

Die russischen Frauen packen zwei Tüten Äpfel ins Auto für einen Apfelkuchen. Und die Ärzte haben an diesem Tag mindestens zwei neue Fans gewonnen....














aus dem Archiv von MC-B.H.V.